Langzeitreise

“Corona-Virus”: Alleine mit Kind in Indien

Es ist Anfang April. Wir leben nun seit über 4 Wochen in Agonda in Goa im Dschungel Indiens. Ich bin Freiwillige hier über Workaway und helfe in einem Gästehaus aus. Was anfangs als ein entspanntes Versorgen und Dasein für die Gäste gedacht war, hat sich verändert. Im März kam auch hier die Corona-Krise an. Mitte März stand das gesamte Land unter Lockdown. Wochenlange Ausgangssperren, Verbote für Ausländer Roller zu fahren oder irgendwo Zimmer oder Appartements zu mieten wurden ausgesprochen. Restaurants, Apotheken, Ärzte, Supermärkte und Shops mussten ihre Türen schließen. Ausgang sollte immer nur 1 Person für das Nötigste gestattet werden.

Corona prägt unsere Reise

Nun waren die Shops und Supermärkte wegen “Corona” zu. Woher sollte man nun Essen bekommen? Wir hatten uns am Ankündigungstag der Ausgangssperre noch mit Lebensmitteln für circa 1 Woche eindecken können. Zu diesem Zeitpunkt waren wir 6 Personen hier. Nachdem ich zweimal durch das verlassene Dorf unterwegs war und sah, welche Stimmung dort herrschte und dass alles verlassen wirkte, kam Angst in mir auf. Oder eher eine große Sorge: Wie lange würde die Regierung das machen? Wie sollen wir mit den Lebensmitteln so lange auskommen? Was isst meine Tochter? Zusätzlich war unfassbar traurig und weinte einen ganzen Tag um meine verlorene Freiheit.

Lost in Paradise: Leerer Strand

Ausgelöst wurde meine Existenzangst durch das Leben in der Gruppe und dem gefühlten „Kontrollverlust“ über die Nahrungsmittel. Es gab hier für mich nicht die Möglichkeit, MEIN Essen zu kaufen und für MICH zu kochen. Ich verkrampfte regelrecht. Sah wie großzügig Lebensmittel verwendet wurden, sprach es an. Aber es änderte sich nichts. Ich rannte gegen eine Wand. Ich wollte super minimalistisch leben und kochen, aber die anderen, vor allem ein älteres kanadisches Paar war anderer Meinung. Sie realisierten die Lage erst viel, viel später als ich. Also dachte ich, es wäre gut, dass wir „unseren Arsch“ retten und habe mir dann mit meiner Tochter eine Wohnung angeschaut. In die konnten wir aber auch nicht umziehen aus verschiedenen Gründen, was aber ein Glück für uns und die Gruppe war.

Leere Straßen

Wachstum in der Corona-Krise: Leben in der Gruppe

Denn so bot sich mir die Chance mich enorm weiterzuentwickeln. Seit meiner Jugend habe ich große Probleme mit Gruppen und Gemeinschaften. Und dem Abgeben von Kontrolle. Vor allem beim Essen. Es ist für mich eine tägliche Übung gerade. Und auch die anderen haben dazu gelernt und nach einer Woche ohne Möglichkeit an frische Lebensmittel ranzukommen, verstanden was Sache ist hier in Indien. Warum ich so reagiert habe. Und auch sie haben sich verändert.

Wir reden miteinander, besprechen die Mahlzeiten und meine Meinung wird ernster genommen. Es ist ein schönes Gefühl zu merken, dass ich so viele Lösungen für die Gruppe finden kann und dass das auch geschätzt wird. Ich freue mich jedes Mal, wenn man mir und meiner Tochter Sachen schenkt und ich sie mit den anderen teilen kann. Oder wenn uns jemand Obst bringt und besonders die Kanadierin ausflippt vor Freude und Dankbarkeit. Es ist ein Segen für die Gruppe, dass meine Tochter bei uns ist. Sie öffnet uns so viele Türen. Also weg mit den Sätzen, wie schlimm diese Situation als Frau alleine mit Kind ist. Oder wie böse die Welt doch ist. Nein, ist sie nicht. Du siehst die Welt, wie DU bist!

Vertrauen in der Corona-Krise

Ich habe mich wahrscheinlich noch nie so grundlegend gesegnet und beschützt gefühlt vom Universum wie jetzt. Ich kann schon fast sagen, dass ich dankbar für diese Corona-Krise bin. Ich merke wie für uns gesorgt wird, wie sich alles fügt und wie gut es uns tut, hier zu sein gerade. Trotz der Einschränkungen. Trotz “Corona”. Es gab so viele Situationen, in denen Menschen uns Essen oder Spielsachen schenkten. Einfach unglaublich. Oder Shopbesitzer, die uns hinter verschlossenen Läden einkaufen ließen. Oder Bananen aus dem Garten verkauften. Dankbar bin ich auch dem Nachbarn, der meiner Tochter ein Trampolin und Spielsachen auskramte und bei dem wir immer willkommen sind.

Hier kommt manchmal sogar Urlaubsstimmung auf

Ich bin so dankbar für mein persönliches Wachstum und das Wachstum meiner Tochter. Ohne “Corona” wären wir diese Woche wahrscheinlich weitergezogen in eine neue Stadt. So bleiben wir mal wirklich lange an einem Ort.

Corona-Krise: Wie geht’s weiter?

Alles ist ungewiss. Die Ländergrenzen sind zu. Keiner weiß, wann man weiterreisen kann oder wohin. Und wie es nach “Corona” sein wird. Die meisten Touristen konnten letzte und diese Woche das Land verlassen. Ich freue mich sehr für sie, doch für uns kam es nie in Frage. Wir sind auch bei keiner Krisenliste registriert. Aus vielen Gründen. Nicht nur, weil wir in Deutschland nichts mehr haben oder auch keine dauerhafte Bleibe hätten und wie Nomaden dort umherziehen müssten (was gerade verboten ist), sondern weil mein Herz sagt, dass GENAU DAS jetzt unser Weg ist. Ich will keine ständigen negativen Nachrichten über diese Listen erhalten oder irgendwo als Reisende registriert sein. Damit würde ich mich eingeschränkt und kontrolliert fühlen.

Wir sind hier gerade richtig und glücklich, ich fühle mich sicher und habe keinerlei Angst vor diesem „Corona Virus“. Ich kann aktuell gelassen in die Zukunft schauen und sagen „Es kommt wie es soll und wenn uns das nicht gefällt, dann finden wir eine Lösung oder einen Weg damit umzugehen.“

Denn wie ich meiner Tochter immer sage:

„Wir sind starke Mäuse.“

Und hoffentlich bald wieder richtig frei.

Stay Safe! Liebe Grüße aus Agonda, Goa.

P.S.: Es gibt bei mami-bloggt.de ein ausführliches Interview von mir zu “Corona” in Indien und warum wir bleiben. Schau gern mal vorbei 🙂

Wenn du über unseren Start in Indien und meine erste Meinung zu dem Land nachlesen möchtest, dann kannst du das hier tun.

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